Im Rahmen von Nachverdichtungen durch Dachaufbauten sind in Berlin in der Regel Ausgleichsmaßnahmen im Zusammenhang mit der Baumaßnahme umzusetzen. In diesem Vorhaben wurde die Begrünung der Dachflächen festgesetzt. Auflage ist es, auf den Dächern eine dauerhafte möglichst flächendeckende Vegetation zu realisieren, um durch Regenwasserrückhaltung sowie Verdunstung die klimatische Situation in diesem verdichteten Wohnquartier positiv zu beeinflussen. Da es sich um die Aufstockung eines klassischen gründerzeitlichen Gebäudes mit Holzdecken handelt, waren die zusätzlichen Dachlasten eng begrenzt. Die Wohnung ist über zwei Geschosse organisiert, ihr sind im Westen, Süden und Osten begehbare Dachflächen angelagert.
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Konzept / Leitidee
Hoch über den Dächern, mitten im dicht bebauten Gründerzeitviertel Berlin-Moabit entsteht ein Wohngarten für die ganze Familie. Entsprechend den baurechtlichen Anforderungen wurde in den Pflanzenteppich aus dauerhaften standortgerechten Blütenstauden und Gräsern ein Mosaik variabler Aufenthaltsräume organisch eingebettet. Kleinräumig können auch Kräuter, Gemüse und Obst kultiviert werden.
Funktionsbereiche / Erschließung / Barrierefreiheit
Der Garten gliedert sich in vier Einzelbereiche. Im unteren Geschoss wurde der Küche ein Gräsergarten mit Essplatz und den Schlafräumen ein intimer Gartenraum mit einer mehrstämmigen Frühlingskirsche, Funkien und Anemonen vorgelagert. Das obere Geschoss öffnet sich nach Süden in den Dünengarten mit der von einer Pergola beschatteten Terrasse, nach Osten schließt sich ein Kräuter- und Obstgarten an. Die Gartenräume sind über Freitreppen miteinander verbunden, hier eröffnen sich weite Blicke über die Baumwipfel und die umgebende Dachlandschaft auf die Berliner Stadtsilhouette.
Ökologie / Vegetation
Grundlage der Dachbegrünung bildet ein rein mineralisches Substrat aus Vulkanlava, das trotz geringen Volumengewichts eine hohe Wasserspeicherkapazität aufweist. Die geringe Substrathöhe von im Mittel 20cm erfordert neben einer standortgerechten Auswahl stresstoleranter Stauden eine zusätzliche Bewässerung zur Überbrückung von Trockenphasen. Hierfür ist flächig ein Tröpfchenbewässerung verlegt. Die hohe Wasseraufnahmefähigkeit des Substrates sichert ein nahezu vollständiges Rückhalten der Niederschläge von März bis November. Die strukturreiche Vegetation aus hohen Gräsern und Blütenstauden bietet vielfältige Rückzugsräume für Insekten und Nistmöglichkeiten.
Wirtschaftlichkeit / Nachhaltigkeit
Prototypische Einzelumbauvorhaben wie dieses führen verglichen mit Neubaumaßnahmen zu höheren Investitionskosten. Für den Mehraufwand bezogen auf eine baurechtlich geforderte Extensivbegrünung wurden die Bauherren mit einem abwechslungsreichen vielfältig nutzbaren Gartenraum entschädigt. Der gewählte Standard mit mineralischen Bodenbelägen und Substraten, einer außen liegenden Dachentwässerung sowie angepasster langlebiger Gräser und Stauden sichert ganzjährig eine hohe Nutzungsqualität und bietet der städtischen Fauna vielfältige Rückzugräume.
Besonderheit / Alleinstellungsmerkmal
Die unterschiedlichen Expositionen und Übergänge in den Freiraum erlauben ein sommerlanges Wohnen im Freien. Es bieten sich hier mitten in der Großstadt Möglichkeiten des urban-gardening ohne, dass die Pflege der Flächen mit Wildstaudencharakter die Bewohner überfordert. Dieser Dachausbau entwickelt durch die umgebenden Dachgartenbereiche und den zweigeschossigen Wohnungsgrundriss besondere Qualitäten, die hinsichtlich der Gebrauchseigenschaften und dem Wohngefühl an freistehende Einfamilienhäuser erinnern. Von dort lässt sich jedoch nur selten ein vergleichbarer Fernblick genießen.